Samstag, 25. August 2007
Überheblichkeit: Spiegel Online genießt moralische Entrüstung
Spiegel Online berichtet über einen Kriegsverbrecher, der nachweisbar schuldig ist, aber wegen Verfahrensfehlern oder einer unklaren Rechtssituation nicht ins Gefängnis muss. So weit so schlecht.

Wenn jemand schuldig ist, aber keine Strafe dafür bekommt, jault in der Regel unser Gerechtigkeitsempfinden auf. Man kann dann mit Recht ein grausames Schicksal dafür verantwortlich machen und mit Kant darauf hoffen, dass ein Gott existiert, der moralisches Handeln und Wohlergehen einander zuordnet.

Wenn man es aber ernst meint mit der Demokratie westlicher Prägung, ist es nicht damit getan, es bei moralischer Entrüstung zu belassen. Im Gegenteil zeugt das Verharren in der moralischen Entrüstung von einem unerwachsenen Verhältnis zum Rechtsstaat. Dass in einem Rechtsstaat niemand gegen seine Rechte verurteilt wird oder ein Urteil niemals gegen die Rechte des Verurteilten vollstreckt wird, auch wenn das Gerechtigkeitsempfinden das vielleicht fordert, muss man aushalten können.

Wenn man über diesen Fall berichten will, dann gehört IMHO unbedingt der Hinweis dazu, dass auch der Verbrecher eines Unrechtsregimes die Sicherheit des Rechtsstaates in Anspruch nehmen darf und muss, weil nur darin sich die moralische Überlegenheit des Rechtsstaates zeigt.

Wer es ernst meint mit dem Rechtsstaat, darf also nicht aus moralischer Entrüstung "Unrecht!" rufen und schon gar nicht als Massenmedium verbal trotzig mit dem Fuß aufstampfen, indem man unterstellt, der Verbrecher genieße nun seine Freiheit.

Dieses Niveau bleibt auf lange Sicht hoffentlich nur einem Blatt vorbehalten.

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