Dienstag, 25. Juli 2006
Und schreib' mir wenigstens eine Karte!
Dies und das sind zwei Erscheinungen ein und derselben grandiosen Idee! Kommt mir vor wie eine Kreuzung aus Speed-Dating und der klassischen Flaschenpost.

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Unwiderstehlich schöne Werbung
Spätestens als Schokolade nicht mehr schokoladiger, Waschpulver nicht mehr waschkräftiger und Marmelade nicht mehr fruchtiger werden konnte, waren wir in der Wüste der für die Werbung verloren gegangenen Produktnutzen angekommen. Seitdem schmeckte Schokolade "himmlisch joghurt-leicht" ohne notwendig weniger Kalorien zu haben und waren Filtertüten "sauerstoffgebleicht" ohne zwingend chlorfrei gebleicht zu sein und wurde Wäsche waschen zu einer Entscheidung über Schläue und nicht mehr zu einer Frage von Sauberkeit.

Welche Versprechen mittlerweile ein Produkt von einem anderen abheben ist keine Frage der beobachtbaren Eigenschaften eines Produktes mehr, sondern reduziert sich allein auf die durch den Verbraucher dem Produkt zugeschriebenen Eigenschaften. Auf der physikalischen Ebene sind Marmeladen ununterscheidbar; auf der Ebene des erlebenden Konsumenten vermittelt nur eine Marke aus Schleswig-Holstein das gewisse Extra. Willkommen im Cyberpunk der schnell drehenden Konsumgüter.

Ärgerlich ist für die Produktverantwortliche nur, dass das Erleben der Verbraucherinnen sehr unterschiedlich und einer genauen Vorhersage enthoben sein kann. Also ist es ihre erste und wichtigste Aufgabe, aus der Werkzeugkiste der Absatzwirtschaftlerin die geeignete Hilfestellung auszuwählen und anzubieten, auf dass die Verbraucherin genau weiß, warum sie kauft, wenn sie kauft. Und kaufen soll sie. Und sich gut dabei fühlen. Und immer glauben, dass sie selbst die wichtigste Entscheidung selbst getroffen hat. Wie auch die Souffleuse am Ende der Schauspielerin applaudiert, der sie den Text vollständig vorgesagt hat.

Besonders gut zu beobachten ist dieses Phänomen zurzeit im Bereich der Verschönerung des äußeren Erscheinungsbildes. Die angebotenen Produkte und Dienstleistungen in diesem Bereich lassen sich bekanntlich grob einteilen in operative und dekorative Maßnahmen, wobei die Grenzen hier vermutlich fließend sind.

Mir erschließt sich der Produktnutzen der operativen Maßnahmen nach wie vor nur unvollständig. Hilfestellung erhalte ich allerdings am Berliner Bahnhof "Friedrichstraße" durch die plakatierte Frage "Haben Sie die richtige Nase"? Mir soll anscheinend bewusst werden, dass es einen erfundenen wichtigen Unterschied gibt zwischen der richtigen und der falschen Nase. Dabei nehme ich an, dass die Unterscheidung dieser Kategorien mir selbst überlassen bleibt und nur auf meinem eigenen Bild von mir selbst beruht. Unterscheiden sich Wunsch und Wirklichkeit? Es gibt Hilfe! Die Wirklichkeit kann dem Wunschtraum angepasst werden. Das alte Ideal der menschlichen Herrschaft über die Schöpfung kann verwirklicht werden. Die Gene als korrigierbare Baupläne. Errare in generes est. Gesichtskorrektoren aller Länder vereinigt Euch! Steht auf gegen das Joch der Dysmorphophobie und die Diskriminierung der Betroffenen!

Auch im Bereich der dekorativen Maßnahmen erhalten Menschen seit Kurzem wichtige Hilfestellung bei der Produktwahl. Ein neues Deo verhindert nicht nur Geruch, sondern macht die für Deo in der Regel vorgesehene Körperregion auch "unwiderstehlich schön"! Ich habe mit dieser Kommunikation eines Produktnutzens vor allem ein semantisches Problem. Wer soll warum einer Achsel nicht mehr widerstehen können? Bisher konnte die Evolutionspsychologie mich von einer Reihe körperlicher Lockmittel überzeugen, die sich über die Jahrtausende bewährt zu haben scheinen. So kenne ich auch diverse Mittel und Möglichkeiten, geeignete Körperregionen in ihrer Anziehungskraft zu betonen. Die Höhlung an der Unterseite des Schultergelenks war mir dabei bisher offensichtlich entgangen.

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